Die Dampfpfeife der Trübenbach’schen Fabrik

Zunächst möchte ich etwas über die Geschichte der heutigen Erzgebirgsbahn berichten.

In den Jahren 1856/57 trat zum ersten Mal der Gedanke auf, von Chemnitz, der ersten Fabrikstadt Sachsens, eine Eisenbahnstrecke durch das Flöhatal nach dem reichen böhmischen Kohlebecken von Oberleitensdorf (Litvinov) und Brüx (Most) zu bauen. Durch den Bau der Chemnitz-Annaberger Bahnlinie (Eröffnung am 1. Februar 1866) und des Teilabschnittes von Flöha nach Freiberg der Bahnlinie Hof - Görlitz (Eröffnung 1. Mai 1869) wurde dieses Projekt, auch besonders unter dem Druck der aufstrebenden Textilindustrie im Flöhatal, nun ernsthaft betrieben. Herausragend daran beteiligt war Max Hauschild aus Hohenfichte, der dieses Projekt mit großer Initiative und auch mit großen persönlichen Opfern erfolgreich vorantrieb.

Im August 1871 gründete sich in Dresden die „Chemnitz-Komotauer Eisenbahngesellschaft” und begann mit den Planungen. In unseren Orten sollte die Bahnlinie ursprünglich einen etwas anderen Verlauf nehmen. In der Lohe sollte die Bahn weiter der rechten Seite der Flöha folgen und wahrscheinlich im Bereich der heutigen Gartenstraße oder der ‚Hammerwiese’ in Schellenberg einen Bahnhof haben und durch das Frauenholz weiter nach Grünhainichen folgen.

Dabei hätte man die Brückenbauten in der Lohe und im Bereich der Marbacher Schleiferei eingespart. Dies wurde aber durch den energischen Einspruch der Firma Trübenbach & Reißig in Dorfschellenberg verhindert. Traugott Wilhelm Trübenbach hatte Angst, dass durch den unvermeidlichen Funkenflug der Eisenbahn seine 1837 errichtete Baumwollspinnerei, welche dann in unmittelbarer Nachbarschaft der Bahnlinie gestanden hätte, in Mitleidenschaft gezogen worden wäre.

So aber musste die Linie auf die andere Flöhaseite geführt werden. Zusätzliche Brückenbauten und der mühevolle Einschnitt eines Felsens durch ‚Freiers Berg’ in Leubsdorf waren dafür erforderlich.

Am 13. Februar 1875, an einem Sonnabend, kam die erste Lok, welche ‚Chemnitz-Komotau’ hieß, um elf Uhr unter großem Jubel in Marienberg an. Nach Reitzenhain konnte sie wegen der bedeutenden Schneemassen nicht weiterfahren. In Reitzenhain fand die Bahn Anschluss an das böhmische Eisenbahnnetz der „Buschtiehrader Eisenbahn”, welche seit 1825 als Pferdebahn zwischen Prag und Pilsen unterwegs war. Später wurde sie umfangreich ausgebaut und diente vorwiegend als Kohle- und Holztransportbahn im böhmischen Kohlebecken um Oberleitensdorf, Brüx und Kladno.

Anschließend wurde die Strecke über Komotau (Chumotov) nach Weipert und Reitzenhain als Verbindung zur sächsischen Staatseisenbahn weitergeführt.

Auch die Teilstrecke Pockau - Neuhausen der Chemnitz - Komotauer Bahnlinie wurde im Jahre 1895 eröffnet.

Nun zur Dampfpfeife:

Im Jahre 1911 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen der Königlich - Sächsischen Staatseisenbahn und der Spinnerei von Trübenbach & Reißig. Selbige hatte zur Erkennung von Beginn und Ende der Arbeitszeit und auch als Pausenzeichen eine sehr laut und schrill tönende Dampfpfeife installiert. In regelmäßigen Abständen schallte diese Pfeife durch das ‚Höllenthal’. Die Arbeiter wussten nun, wann sie mit der Arbeit beginnen bzw. aufhören konnten. Selbst die Ehefrauen konnten sich mit dem Essen nach der Dampfpfeife richten. Denn in der damaligen Zeit gehörten die Ehefrauen an den Herd und die Männer hatten die Aufgabe, die Familie zu versorgen.

Der Königlich - Sächsischen Staatseisenbahn passte die Dampfpfeife der Trübenbach'schen Fabrik jedoch überhaupt nicht in den Kram. Die Lokomotiven hatten eine gleichartige Dampfpfeife an Bord. Sie wurde aus Sicherheitsgründen bei Annäherung des Zuges an Wege- oder Straßenkreuzungen sowie bei Einfahrt und Ausfahrt aus einem Bahnhof betätigt.

Eine Unterscheidung der beiden Dampfpfeifen war kaum möglich. Aus diesem Grunde legte die Bahn Widerspruch bei den Behörden ein.

Die damalige ‚Königliche Amtshauptmannschaft Flöha’ untersagte deshalb der Spinnerei Trübenbach & Reißig das weitere Betreiben dieser Dampfpfeife. Die Firma musste sich nun ein anderes Pausenzeichen für ihre Belegschaft ausdenken. Leider geht aus den Unterlagen nicht hervor, wie sie sich aus der Affäre gezogen hat.

Da zu dieser Zeit die Elektrizität eingeführt wurde, ist es durchaus möglich, dass nun ein elektrisches Signal durch das ‚Höllenthal’ schallte.

Vielleicht ist dies noch irgend jemand bekannt, dann bitte ich um eine evtl. Mitteilung.

Die Trübenbach'sche Fabrik Mitte des 19. Jahrhunderts vom anderen Flöha - Ufer aus gesehen


Dieses Dokument ist von Herrn Detlef Biermann. Wir möchten uns ganz herzlich bei ihm dafür bedanken.
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