Eine tückische Tat

Freie Interpretierung aus Gerichtsbuch Nr.2 Amt Schellenberg

An einem kühlen, grauen, nebligen Novembersonntag des Jahres 1564 wurde in dem kleinen Dorfhäuslein von Matthes und Walpurga Neuber in Marbach gefeiert.

Eine große Feier war es nicht, denn die Leute waren einfache Häusler. Der Vater verdingte sich bei demjenigen, der gerade etwas zu tun hatte. Dafür brachte er auch gerade ein paar Notgroschen mit heim. Wenn sie nicht im Stall eine Kuh stehen gehabt hätten, wäre es schlecht um sie bestellt gewesen. Ein paar Ziegen und auch einige Hühner gesellten sich dazu. Etwas Milch, ein paar Eier waren zumindest im Sommer immer vorrätig.

In dem kleinen Hausgärtlein und einem Stückchen der Gemeindewiese, für die sie im Jahr 5 Pfennige Zins geben mußten, wuchs in der Regel immer genug Futter für die Tiere.

Jetzt im Herbst mußten schon einige Ziegen geschlachtet werden, damit sie in den langen und kalten Wintermonaten etwas Fleisch hatten. Außerdem würden diese Ziegen im Winter unnötig Heu fressen, welches die Kuh nötiger brauchte.

Aber jetzt war alles etwas anders. Der einzige Sohn, Caspar, er verdingte sich als Pferdeknecht im Marbacher Lehngut, führte seine Liebste zum Traualtar. Der Pfarrherr von Dorfschellenberg, Johannes Lange, hatte vor vielen gottesfürchtigen Eingepfarrten von Marbach und Dorfschellenberg in der Kirche zu Dorfschellenberg eine gute Predigt über die ehelichen Pflichten und Erschwernisse und auch vielleicht auch Freuden gehalten.

Der Lehngutspächter hatte seinem Pferdeknecht Pferd und einen Wagen bereitgestellt, um die Hochzeitsgäste zur Kirche und wieder zurückzubringen. Viele Leute waren es nicht, die der Bräutigam kutschieren mußte.

Die beiden Neuvermählten, Caspar und seine junge Frau Anna, welche aus Wingsdorf (Wingendorf), bei Oederan, stammte, hatten sich im elterlichen Dorfhäuslein eine kleine Kammer eingerichtet.

Die Feier im kleinen Rahmen hatte doch viel Geld gekostet und auch fast die gesamten Vorräte aufgebraucht.

So freuten sich alle, als in der Frühe des 25. Februar des nächsten Jahres der etwas übel beleumdete Mats Kempe aus Stadt Schellenberg zu Caspar Neuber kam, und ihn bat, zusammen mit seinem Stiefsohn Andres Spilmann, eine Fuhre Holz zu einem Handelsmann nach Chemnitz zu fahren. Mats Kempe versprach ihm auch einen guten Lohn.

Da er das Geld dringend benötigte, sagte Caspar Neuber nicht nein. Der in Marbach wohnende Schwiegersohn von Kempe, Nickel Beier, spannte dem Fuhrwerk noch ein Pferd zu und ab ging die Fuhre.

Mats Kempe begleitete Caspar Neuber und Andres Spilmann noch ein Stück des Weges. Nach Chemnitz könne er nicht mitkommen, er müsse unbedingt auf das Gericht nach Dorfschellenberg (Erbgericht). Er müsse dort der Vormund seiner Mutter werden. Sein Vater wäre vor kurzem gestorben, Gott habe ihn selig.

Frauen, selbst ältere und erfahrene, mußten generell zur Wahrung ihrer Interessen und Geschäfte vor dem Gericht und anderswo einen männlichen Vormund beibringen. Sie waren eben nicht geschäftsfähig. Meistens war es ein Verwandter, Bruder, Vater, Sohn, Onkel. Aber auch ein anderer Mann konnte als Vormund dieser Frau beistehen (!!). Er mußte nur dem begüterten Stand angehören, einfache Häußener (Häusler) und Dienstknechte durften dies nicht.


Dieser Mats Kempe war bekannt wie ein bunter Hund. Er hatte schon oft Händeleien angefangen und arme gottgläubige Leute um ihr Hab und Gut gebracht. Nun hatte er einen anderen bösen Streich vor, er hatte es auf die Anna Neuberin abgesehen. Deshalb hatte er auch die anderen beiden, ihm hörigen Leute, mit ins böse Spiel gebracht.

Kempe verlies das Fuhrwerk an der Wegbiegung an Michel Lehners Teichstatt, wo der Weg nach Dorfschellenberg abging. Er beobachtete das Fuhrwerk noch eine Weile und kehrte dann flugs nach Marbach zurück. Dort sucht er sofort die Anna auf und forderte sie offen zu bestimmten Handlungen auf. Viel überzeugungskraft wird er nicht aufgewendet haben, denn ein „kleines” Geldgeschenk hat sie wahrscheinlich schnell zur Zustimmung gebracht.

Irgendwie erfuhr ihr Mann Caspar von den Umtrieben der beiden. Anna wird es ihm bei der Heimkunft gebeichtet haben, sie konnte schließlich ihrem kargen Haushalt etwas Geld beisteuern.

Caspar Neuber wird dies nicht überzeugt haben, er zeigte dieses nun dem Ortsrichter an und es führte zu einer Verhandlung. In diesem Prozeß war auch der Amtsrichter des Churfürstlichen Amtsgerichtes zu Stadt Schellenberg zugegen.

Der Mats Kempe wurde, auch auf Grund der bereits von ihm begangenen übeltaten, Ehebruch mit einer Nachbarin war auch dabei, zum Tode durch Enthaupten verurteilt.

Die Anna Neuberin sollte erst das gezeugte Kind entbinden und dann auch auf die gleiche Art zum Tode gebracht werden. Am 21. Mai 1565 wurde „bei der Linde am heyligen Kreutz” in Schellenberg (heute Augustusburg) das Urteil an Mats Kempe vollzogen.

Die Anna Neuberin wurde vom 20. Mai an (dem vermutlichen Gerichtstag) in der Gerichtsstube des Marbacher Lehngerichtes, an einer Kette gefesselt, in Gewahrsam gehalten.

Über das weitere Ergehen der Anna Neuberin gibt es in den Protokollbüchern zwei unterschiedliche Aussagen. Eine Quelle besagt, daß auch sie nach der Entbindung ihres Kindes wegen vollzogenen Ehebruchs enthauptet worden sei. Die zweite Quelle behauptet, daß das Gericht schließlich Gnade gezeigt habe. Danach wurde sie lediglich des Landes verwiesen. Einen Beweis können wir heute darüber nicht mehr erbringen.

Egal, wie es war, würden diese 'Gesetze' heute noch gelten, wären unsere Dörfer wahrscheinlich weitgehendst entvölkert.


Es wurden echte Fakten zugrunde gelegt. Sie entstammen dem Gerichtsbuch Nr. 2 des Amtes Schellenberg Abt. III, Handelsbuch ab 1561, Blatt. 337. Die übrige Geschichte wurde frei erfunden.


Dieses Dokument ist von Herrn Detlef Biermann. Wir möchten uns ganz herzlich bei ihm dafür bedanken.
Kontakt: detlef.biermann41@googlemail.com

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